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Lernen Sie die Nominierten des Retzhofer Dramapreis und ihre Stücke in kurzen Videos näher kennen… Bei der Preisverleihung am 16. Juni 2019 wird der/die Gewinner*in bekanntgegeben.


Thyl Hanscho
Dem Fass sein Tropfen
Thyl Hanscho, 1994 geboren in Klagenfurt am Wörthersee, zog während der Schulzeit nach Wien und studierte nach der Matura Philosophie an der Universität Wien und seit 2016 Theaterregie am Max Reinhardt Seminar. Seit 2015 ist er in der Freien Theaterszene Wiens tätig, mitbegründete den Verein „TheaterArche“ und wirkte an diversen Theaterproduktionen als Autor, Dramaturg und Regisseur mit (u.A. Ateliertheater, offTheater, Schauspielhaus Wien, TheaterBrett, TheaterArche).
Seine Arbeit als Dramatiker begann mit einer Auftragsarbeit für die freie Gruppe „Theater-zum-Mitnehmen“ (Der Stein des Sisyphos), im Sommer 2018 war er der Dramatiker*In Residence beim Hin&Weg Festival Litschau, wo er ein Stück verfasste (Chronik eines Widerspruchs), das August 2019 in Litschau als szenische Lesung gezeigt wird.
Im toten Winkel des Gesetzes haben Luzy, Hanna und Klaus ihre Fallen ausgelegt und jedem, der da hinein stolpert, dem zeigen sie dann, welche Gewalt im Ungesehenen herrscht. Frank, den erschreckt das gar nicht. Lust kommt in ihm auf. Die Lust, mit Gewalt zu schaffen, was sein Ich verlangt. Und hat das Ich das Wir einmal verdrängt, da aus dem Öffentlichen, ist plötzlich was passiert, wovon dann wieder niemand gewusst haben wollen wird. Und Schuld? Nein. „Ich doch nicht!“
 
Auf die Blindheit folgt die Taubheit und auf die Taubheit das Geschmacklose.
 
Dem Fass sein Tropfen entstand als Reaktion darauf, dass ich als Zuschauer anwesend war als die Identitäre Bewegung eine Theateraufführung im Wiener Audimax stürmte und den Theaterraum für sich einnahm. Modellhaft wollte ich den Zusammenschluss von Opportunismus und Radikalität nachzeichnen bis zu dem Punkt, an dem über die Originalität und Wortgewandtheit der Machthungrigen nicht mehr gelacht werden kann und sich im Konvolut aus Bannern, Blut und Geschrei etwas ankündigt, das dann niemand mehr als „künstlerische Intervention“ einstuft.
Pedro Martins Beja
Den Dachs hab ich vergessen
Pedro Martins Beja besuchte die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Während seines Regiestudiums arbeitete er hauptsächlich an Überschreibungen literarischer Stoffe. Dabei entstanden u.a. „Berlin Alexanderplatz oder was (eine Annäherung könnte man meinen nee ehrlich)“ nach Alfred Döblin (2008, Jurypreis des 100° Festivals Berlin), „The Cocka Hola Porno LookALike“ nach Matias Faldbakken,  „Permanent Vacation-Fuck My Crisis (permanente vakation sollte meine krise ficken)“ nach Erich Kästner, "Beautiful People/FleischEgo" nach Dennis Cooper. Seine Inszenierung von Sarah Kane’s „4.48 Psychose“ wurde 2010 zum Körber Studio Junge Regie eingeladen. Seine Diplominszenierung „Die Kontrakte des Kaufmanns“ von Elfriede Jelinek hatte 2010 Premiere an der Schaubühne Berlin. Als Regisseur inszenierte er unter anderem am Schauspiel Frankfurt, Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspielhaus Wien, TTT in Tampere/Finnland und am Theater am Neumarkt in Zürich. In der Spielzeit 2017/2018 entwickelte er als Regisseur und Autor am Schauspielhaus Graz "Kinder der Sonne-The Sun Is A Dead Star" nach Maxim Gorki, in dessen Folge er sich wieder verstärkt dem eigenen Schreiben widmete.
Die Zeit will nicht mehr nur eine abstrakte Vorstellung im Bewusstsein der Menschen sein. Sie beschließt sich einzelner Körper zu bemächtigen. Es bildet sich eine kleine Kaste von Befallenen, die ein symbiotisches Verhältnis mit ihr eingehen.
Bei jedem Einbruch der Zeit in die physische Welt steht diese für den Bruchteil einer Sekunde still. Für die bereits Befallenen dehnt sich dieser Augenblick unendlich aus. Als Bodies That Are Full Of Narcoleptic Tendencies durchwandern sie die Welt wie ein Stillleben.
 
Kurz vor dem ersten Innehalten. Ein junges Mädchen und ein viel zu alter Mann sitzen auf den Vordersitzen eines nicht mehr hergestellten Autos. Würden sie beide nicht unruhig ihre eigenen Knie betrachten, sähen sie auf der anderen Seite vom Parkplatz folgende Szene: Ein Junkie schläft mit ausgestrecktem Arm dabei ein, wie er eine Pfandflasche aus dem Mülleimer herausholen will. Während ihn die Vorübergehenden bemitleiden, ist er glücklich. In eine dieser Personen wird gleich die Zeit einbrechen.
 
Außerdem treten die letzte Melodie, der Prolog, ein vermeintlicher Regieeinfall und noch andere auf, die im Zeitalter der verfließenden Grenzen ebenfalls die Gelegenheit ergreifen sich zu materialisieren.
Thomas Perle
karpatenflecken
Thomas Perle, 1987 in Rumänien geboren, emigrierte 1991 mit seiner Familie nach Deutschland, wo er dreisprachig aufwuchs. Nach dem Abitur absolvierte er am Staatstheater Nürnberg ein Volontariat. Von 2008 bis 2015 studierte er an der Universität Wien Theater-, Film- und Medienwissenschaft. 2009 arbeitete er am Volkstheater Wien und war von 2010 bis 2012 Regieassistent am Schauspielhaus Wien. 2013 wurde er mit dem Wiener exil-Literaturpreis ausgezeichnet.

2014 war er Writer in Residence im LOISIUM Wine&Spa Resort Südsteiermark.
2015 erhielt er vom Bundeskanzleramt Österreich das Startstipendium für Literatur und feierte mit der Uraufführung seines Kurzdramas europas töchter beim MIMAMUSCH – Festival für Kurztheater sein Regiedebüt.  2016 leitete er am Staatstheater Nürnberg eine Schreibklasse mit Jugendlichen, deren Texte er gemeinsam mit seinem exil-Literaturpreistext zur Uraufführung brachte und wurde mit dem ersten Preis beim 28. Literaturpreis der Nürnberger Kulturläden ausgezeichnet.
2018 erschien sein Prosadebüt wir gingen weil alle gingen. im Verlag edition exil.
Im selben Jahr erhielt er das Wiener Dramatik Stipendium und war Rottweiler Stadtschreiber.
Mit karpatenflecken ist er für den Retzhofer Dramapreis 2019 nominiert.
Ein Karpatenort, jenseits der Wälder, verlassen in einem Tal umgeben vom Wald am Rande der Welt, am Rande der Monarchie. Hier gibt es keine Nationalität, gibt es gar nichts mehr. Nur noch Dystopie. Eine ferne Zukunft, in der niemand mehr, alle verschwunden von hier. Diesem Ort, der österreichisch kaiserlich einst, königlich ungarisch, großrumänisch vereint, mal nyilaschfaschistisch ungarisch, populistisch rumänisch, sozialistisch, revolutionär, am Ende demokratisch transsilvanisch siebenbürgisch erdélyi ardelenesc.


Drei Frauen, drei Generationen erzählen ihre Geschichte, die eng verbunden ist mit diesem Ort. Ein Mosaik über das Verschieben von Grenzen, über die beiden großen Kriege, über Deportationen, über Flucht, Emigration, das Ankommen, das Verschwinden, über das Leben an einem besonderen Flecken dieser Erde inmitten der Karpaten und was davon bleibt.
Caren Jeß
DER POPPER
Caren Erdmuth Jeß, geboren 1985 in Eckernförde, studierte Deutsche Philologie und neuere deutsche Literatur in Freiburg i. Br. und Berlin. Als Dramatikerin trat sie 2017 zum ersten Mal in Erscheinung, als sie mit ihrem Stück Deine Mutter oder der Schrei der Möwe den dritten Platz des Osnabrücker Dramatikerpreises belegte. 2018 gewann sie die Residency des Münchner Förderpreises für deutschsprachige Dramatik mit Bookpink (S. Fischer). Im selben Jahr gewann sie mit der Ballade von Schloss Blutenburg den Publikumspreis beim 26. open mike – Wettbewerb für junge Literatur. Mit Der Popper ist sie für den Retzhofer Dramapreis 2019 nominiert. Caren Jeß lebt in Berlin.
Es geht um Sex und Drogen, um Bindungsängste und Zugehörigkeitsbedürfnisse, es geht um Wurst und lila Wohnzimmerwände. Der Popper schwelgt in Erinnerungen an die 80er Jahre, „wir sind immer schick inne Disco – ick bin n Popper jewesn!“, erklärt er. Inzwischen ist er mitgenommen, geistig und körperlich, und als er sich ein Dosenbier öffnet und in ein belegtes Brötchen beißt, reißt ein Herzinfarkt ihn aus dem Leben. Doch sein Geist verbleibt in der Altbauwohnung, die schnell wieder belebt wird – von Florentin, Justin und Ixix, die einem fancy Lifestyle frönen, der nicht auf moralische Integrität setzt, nein, abgehen soll der! Justin bringt dieser Lebensstil jedoch in Geldnöte, und so nimmt er einen Aushilfsjob an, gegenüber bei der Fleischerin, die von kruden Fantasien erzählt und sich dennoch einen pragmatischen Blick auf den Lauf der Dinge bewahrt.

Der Popper ist ein Stück über einen erlebten und einen drohenden Absturz. Mit Humor und Neugierde nähert sich der Text den Abgründen, die er verhandelt.
Stephan Roiss
Full Metal Backett
Autor, *1983 in Linz.
Ein Spiel ist im Gange. Das müsste nicht sein. (Die Gischt, Joker Potosa, Menticore, Errrz und Fatumbo Phi sprechen, wie es das Theater verlangt.)
Patrick Schneider
UNTER*MENSCHEN
Patrick Schneider, geboren 1980 in Pforzheim, lebt in Berlin-Neukölln und arbeitet als Autor und Sprachlehrer. Er hat an der Universität Mannheim und an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe studiert. Mit dem Regisseur David Schnaegelberger gründete er das Kollektiv für Freies Theater „Die Happy Few“, mit dem er bis heute Theateraktionen produziert. Zuletzt ist von ihm die Trilogie “Kapitale Dramen” in einem Art Book des Designers Damian Domes erschienen.
Eine Gemeinschaft von arbeitslosen, drogenabhängigen Außenseitern bewohnt ein Wohnhaus, das kurz vor der Kernsanierung steht, und wehrt sich gegen den Rauswurf. Den Hausbesitzer haben sie in eine der leerstehenden Wohnungen eingesperrt. Deren vormaliger Mieter liegt tot im Hinterhof. Bei dem Versuch, ihn einzuäschern, fängt das Wohnhaus Feuer. Pinkelnd wollen sie nun ihr Zuhause retten, was aber wegen des fehlenden Zusammenhalts misslingt. Wer kann sich jetzt noch vor den Flammen in Sicherheit bringen?
Katharina Cromme
Ilnur Albatros. Ein Naturschauspiel (AT)
Katharina Cromme lebt als Textarbeiterin (Regisseurin und Autorin) an den Orten ihrer Projekte, zum Beispiel in Zürich, Istanbul, Chur, Luzern, Kapstadt, Kaohsiung, Samara, Kazan, Perm, Omsk, New York und Köln. Ihre Ausbildung erhielt sie an der Zürcher Hochschule der Künste (wo sie seit 2016 auch lehrt), an der Columbia University New York und durch das Autorenförderprogramm «Dramenprozessor».
2018 gründete Katharina Cromme das Institut für Bewegende Künste, in dessen Kreis sich künstlerische, kulturelle und wissenschaftliche Akteur*innen versammeln, um ihre Arbeit an hybriden Formen des künstlerischen Ausdrucks voranzutreiben. Im Fokus stehen hier gegenwärtig die Projekte Wellenlängen, in dem sie und Kompliz*innen zeitgemäße Narrationsformen erkunden und  erproben, und Das letzte Kind, eine künstlerische Forschung über Bewusstseinsformen wie Halluzination, Traum und Wachwirklichkeit.

Eine kontinuierliche Zusammenarbeit verbindet Cromme mit dem Wildwuchs Festival Basel (z.B. als Artist in Residence in Kapstadt 2016 und Leiterin von «Watch&Talk» 2017). Katharina wurde durch zahlreiche Stipendien, Residenzen, Recherchebeiträge, Teilnahmen an Meisterklassen und Entsendung ihrer Stücke an Festivals ausgezeichnet.
Ilnur ist allein. Er will aber nicht allein sein. Aber wenn er nicht allein sein will, muss er fliegen können. Aber er kann nicht fliegen. Aber er muss es probieren. Aber er hat einen Klumpen im Bauch. Aber es ist niemand da und er will nicht nur er-ohne-alle-anderen sein.
 
Ilnur hat Startschwierigkeiten. Doch mit Hilfe von Rahel gelingt ihm der Aufbruch doch. Unterwegs begegnet er Arten, die anders aussehen, sich anders bewegen und die Welt anders wahrnehmen als er. Rahel zum Beispiel hat kein Gefieder. Deshalb muss sie Kleidung tragen und wohnt in einem Nest mit Dach. Suppenschüssel hat statt Federn Horn und schwebt nicht in der Luft, sondern unter Wasser. Durch ihre Verschiedenheiten erfahren Ilnur und seine ungleichen Freunde viel über das Lebendigsein. In einigen Dingen sind sie sich trotz ihrer Unterschiede sogar sehr ähnlich. Und noch etwas verbindet all die Tiere über, auf und unter der Meeresoberfläche: sie alle kämpfen mit den Veränderungen ihrer Umwelt. Wie sollen sie sich nur daran gewöhnen, dass bald mehr Plastik als Fisch im Meer schwimmt, und dass es unter Wasser immer wärmer und lauter wird?
 
Ilnur durchlebt auf seiner Reise alle großen Gefühle: Angst und Mut, Verzweiflung und Komik, Melancholie und Heiterkeit. Das musikalische Naturschauspiel Ilnur Albatros erzählt die Geschichte eines jungen Sturmvogels in einer sich durch menschliche Spuren wandelnden Welt.
Anna Morawetz
Der Schnaps erkennt die Traurigkeit
Anna Morawetz, geboren in Linz/Oberösterreich, lebt in Wien. Sie studierte Schauspiel am Franz Schubert Konservatorium in Wien und nahm 2016 bis 2018 am Lehrgang für szenisches Schreiben FORUM Text von uniT teil.
 
2015 wurde ihr Text „So tot war sein Erdbeermund“ in der Anthologie „Die Sachensucherin“ veröffentlicht. 2017 war sie für das Hans-Gratzer-Stipendium unter der Leitung von Kathrin Röggla nominiert. 2017 und 2018 nahm sie am Dramatiker*innenfestival in Graz und 2018 am d.ramadan im Theater Oberhausen teil. 2019 ist sie für den Retzhofer Dramapreis, den Hörspielmanuskriptepreis des Leipziger Höspielsommers sowie das Peter-Turrini-DramatikerInnenstipendium nominiert.
Arbeiten und Auftritte als Schauspielern unter anderem KosmosTheater, Theater Drachengasse, Dschungel, Arena Wien, Posthof Linz, szene bunte Wähne, Theaterfestival Schäxpir, Next Liberty, ARGEkultur, Toihaus, Halleiner Festwochen, Altonaer Theater/Hamburg, Internationales Frauenfestival/Finnland, Second International Theatre Festival Rainbow/St. Petersburg, Teatro Nacional Dona Maria II./Lissabon.
Karpfenendzeitalter auf einer Burg. 
Ein Maturatreffen ohne Internet nach zwanzig Jahren. 
Eine Zukunft, die wer weiß wo liegt. 
Eine Vergangenheit, die zurückkommt. 
Eine Person, die verschwunden ist. 
Und der Mops Arnold, der nicht mitkommen durfte.
Jorinde Minna Markert
SCHNEE oder: die Fabel vom 3 Sekunden Gedächtnis
Jorinde Minna Markert, berlingeboren am 25.9.94., spielte immer schon Theater und wollte lieber welches schreiben. Jetzt schreibt sie Theater und will lieber welches spielen. Sie studiert trotzdem erst mal Kreatives Schreiben an der Uni Hildesheim. Ihr erstes Stück SCHNEE wurde 2018 im Staatsschauspiel Hannover und Leipzig szenisch gelesen, sowie für den Retzhofer Dramapreis 2019 nominiert. Ihr zweites Stück spielt in einer Autobahnkirche und möchte gerne endlich weiter geschrieben werden. Zu sehen ist Jorinde Minna in verschiedenen ARD Fernsehproduktionen, zu lesen derzeit in dem Uni Journal "die Relation", sowie in der feministischen Anthologie "Submukös". Und zu finden zum Beispiel in der Cerdeira Artist Colony in Portugal, wo sie für ein Arbeitsstipendium einige Wochen verbringt. Beim Theatertreffen 2019 wird sie Teil der Festivalblog Redaktion sein.
Am Abend des Nationalfeiertages in einer Republik, wo in den Wänden lauschendes Ungeziefer haust und der Schnee einen staatlichen Sabotageakt darstellt, sitzt im Wohnzimmer ein Kind, alters-, namens- und geschlechtslos und füttert einen Goldfisch, der alle Nahrung und sonstige lebenserhaltende Maßnahmen zu verweigern scheint. Den Goldfisch hat das Kind am Morgen vor der Türe gefunden. Nein, falsch. Der Goldfisch hat das Kind gefunden. Das Haus ist leer bis auf das Kind, denn Großvater Kurt steht draußen vorm Fenster und kann sich nicht erinnern, wieso er sich die Hand verbrannt und was er draußen im Schneetreiben gesucht hat, während seine Tochter Anne durch eben dieses Schneetreiben irrt, um Kurt zu suchen. Ausgerechnet heute durfte er unter keinen Umständen das Haus verlassen, denn man weiß, dass er ausgerechnet heute gerne Streit führt gegen eine Instanz, die Anne "Heimat" nennt, für eine Instanz, die Kurt "Gott" nennt. Ein Gott, den man produktiv abgeschafft hat. Ein Gott, der überall abgeschafft wurde, außer im eigenen Wohnzimmer. Rückwärts läuft die Zeit in diesem Haus oder in diesem Stück ab, rückwärts sehen wir den Hungerstreik des Goldfischs und die zunehmende Sorge des Kindes, sehen wir Kurt heimlich aus dem Fenster steigen, sehen wir Anne ihrem entlaufenen Vater folgen, sehen wir ein Kind, das alles sieht. Bis wir am Morgen des ersten Weihnachtstages ankommen. Und zum ersten Mal sehen wir etwas, was das Kind nicht sieht: Wie der Goldfisch zum Kind kam. Was dem Kind ein Zeichen der Erlösung war stellt sich als großes Missgeschick im Disput zwei miteinander kabbelnder Instanzen heraus - "Gott" und "Heimat". Aber was macht das schon. Was macht das schon, ob es der Zufall war, der eine Heimat finden lässt. Was macht das schon, wenn diese Heimat ein Goldfischglas ist.
Edith Draxl
zum Retzhofer Dramapreis